
Obacht, liebe Chef:innen und HR-Profis. Hinter der guten Miene Ihres treuen Teams kann dieser Tage ein Spiel stecken, das mitunter ungut endet. Job Huggers meinen es nicht per se böse, vielmehr sind diese „Klammeräffchen“ Kinder ihrer Zeit. Sie haben Fragen? Wir die Antworten.
Anno 2015: Ach, was waren das damals für Zeiten! Wir wollen ja nicht allzu rührselig werden. Aber die Retrospektive lässt uns doch ein wenig staunend zurück. Was es vor 10 Jahren alles (noch) nicht gab! Brexit, auffällig viel Selbstbräuner im Weißen Haus, GenAI für alle, den russischen Angriffskrieg, Covid, Jobhuggers …
Job Huggers? Bei aller Tragik und Ernsthaftigkeit ob der genannten Ereignisse und Tatsachen: Erlauben Sie uns bitte ein wenig Schabernack. Wir hätten uns fast am dritten (Soja) Cappuccino verschluckt, als wir das zum ersten Mal lasen: Job Hugging. Scharenweise sollen sich (vorwiegend) junge Leutchen (mental) an ihre Schreibtische ketten und einen Jobwechsel vermeiden, wie der Teufel das Weihwasser. Was für ein wilder Richtungswechsel - zuerst hat man alle Mühe, die Talents bei Laune und im Unternehmen zu halten und nun sollen sie plötzlich ewige Treue schwören? Schön schräg.
Und wir dachten: Wieder einmal so ein niedliches Ferkelchen, das mit Gedöns durch das digitale Dorf getrieben wird. Und wir lagen falsch. Denn hinter dem etwas dümmlichen Begriff, der sich auf Deutsch sperrig mit „sich an den Job klammern“ übersetzen lässt, steckt in Wahrheit jede Menge Angst, Unsicherheit und Sehnsucht. Wir schlagen Ihnen jetzt vor: Holen Sie sich das Heißgetränk Ihrer Wahl – Filterkaffee, Chai Latte, Matcha Latte … ach, was auch immer Sie glücklich macht – lehnen Sie sich zurück und lassen Sie sich von Jobheld in die Welt der Klammeräffchen und Angsthasen entführen, folgen Sie uns in eine Realität, die sich ein bisschen nach „Zurück in die Zukunft“ und Boomer-Mentalität anfühlt. Und weil wir ja wollen, dass Sie bis zum Ende dranbleiben, hier ein Spoiler: Diese Story hat ein Happy End. Wahrscheinlich.
Jobhugging: Woher kommt der Begriff und was meint er?
Das US-amerikanische Beratungsunternehmen Korn Ferry sorgte Mitte August 2025 als eine der ersten mit der Wortschöpfung „Job Hugging“ Aufmerksamkeit. Als Gegenstück zum „Job Hopping“ bei dem Menschen fröhlich und regelmäßig den Arbeitgeber wechseln, „umarmen“ oder „klammern“ sich die Job Huggers an ihre Position. Inzwischen finden sich Terminus und tatsächliche Ausprägungen auch im DACH-Raum wieder.
Worauf basiert die Theorie der Job Huggers?
Wissenschaftlich basiert das Phänomen auf der etablierten „Proximal Withdrawal States Theory (PWST) von Hom, Mitchell, Lee & Griffeth (2012), die vier Mitarbeiterkategorien definiert. Inzwischen dominiert am US-Arbeitsmarkt der Typus der „Reluctant Stayers“, also jenen Arbeitnehmer:innen, die ihren Job eigentlich verlassen wollen, aber nicht können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dazu kommen wir jetzt gleich.
Welche sind die globalen Gründe für Job Hugging?
Wäre das hier ein Facebook-Beziehungsstatus ( auch das ist wieder schwer im Kommen, by the way…), würden wir schreiben: Es ist kompliziert. Und es stimmt, die Welt wird zunehmend komplexer. Wir haben uns alle Mühe gegeben und die wichtigsten Ursachen für Job Hugging in diese kompakte Liste gepackt. Samt Quellen und Emojis.
🌍 Unsicherheit: Globale Krisen und Kriege bremsen die Wechselbereitschaft. Eh klar. → Matt Bohn, Korn Ferry, zitiert in CNBC
💸 Teure Lebenshaltung: Viele Menschen ziehen Sicherheit derzeit Zufriedenheit und Selbstverwirklichung vor. →Newsweek; HR Executive („Job-Hugging Is A New Norm In The Weak Labor Market“)
📉 Schwacher Arbeitsmarkt:
• US: Weniger Einstellungen, niedrigster Stand seit 10 Jahren und ein schiefes Verhältnis Stellen/Arbeitslose: von 2:1 (März 2022) auf 1:1 (Juni 2025) → CNBC
• Deutschland: 43 % finden keine Fachkräfte ( DIHK-Fachkräftereport 2024/25)
• UK: Arbeitslosenquote 4,4 % (Ende 2024); offene Stellen 812.000 → UK Labour Market Statistics 2025
💶 Kaum Lohnvorteil: Ein Wechsel bringt im Schnitt nur +4,3 %, identisch zum Bleiben → Bank of America-Daten; HR Executive
🤖KI-Sorgen: 71% der Amerikaner fürchten permanenten Jobverlust durch KI (Reuters/Ipsos);
Aber ein treues Team ist doch toll! Warum ist Job Hugging ein Problem?
Die Amis würden sagen: It's the wrong reasons, darling!“ Will heißen: Treue ist gut, aber aus den falschen Gründen schlecht. Wer nicht etwa aus echter Überzeugung oder Zufriedenheit im Unternehmen bleibt, sondern schlicht weil er/sie aus Angst handelt, ist eben kein Gewinn. Sondern eine tickende Zeitbombe. Wer diese Art des Job Huggings praktiziert, läuft auch Gefahr, sich innerlich stark von Aufgaben und Unternehmen zu distanzieren (Quiet Cracking) oder sogar innerlich zu kündigen (Quiet Quitting).
Darauf folgt - Sie ahnen es - ein Rattenschwanz unglückseliger Ereignisse, eine Übermacht von Job Huggern hat eine Reihe unangenehmer Folgen: Potential bleibt brach liegen, die Produktivität sinkt, die Innovationsfähigkeit läuft gegen null, mögliche Top Talents werden ausgebremst, weil andere die Position blockieren, der Teamgeist leidet, das Employer Branding sowieso …
„Gutes“ Job Hugging - gibt es sowas?
In der Tat lassen sich Expert:innen finden, die den „Sitzenbleibern“ etwas abgewinnen können. Sogar die Studienmacher von Korn Ferry weisen auf die „helle Seite“ des Phänomens hin und wollen Arbeitnehmer motivieren, die Zeit des Stillstandes für interne Weiterentwicklung zu nutzen. Wie wäre es mit einer Runde „Pivoting in Place“? Tatsache ist aber auch: Zusätzliche Verantwortungen, neu erworbene Skills und ein gelebtes Networking bringen nur Vorteile. Für die Talents und die Company.
Welche Arbeitskräfte zählen besonders häufig zu den Job Huggers?
Kurz gesagt: Junge Menschen. Männer. Top Performer. Und jetzt ein wenig genauer: Laut Studien von Eagle Hill Consulting haben Gen Z-Mitarbeiter:innen die höchste Absicht, in den nächsten sechs Monaten in ihrer aktuellen Position zu bleiben. Gen Z zeigt die höchste Bleibeabsicht für die nächsten 6 Monate und leidet zu 54% unter Burnout (Eagle Hill Consulting. Das Dilemma der Gen Z lautet: Der Wille ist in Teilen da, aber die Angst ist stärker. Obwohl 49 % der 18- bis 29-Jährigen grundsätzlich offen für neue berufliche Herausforderungen wären, ist diese Generation auch am besorgtesten, ihren Job zu verlieren, sagt eine Langzeitstudie von Xing.
Überraschung: Auch die können Jobs huggen!
Nicht viel besser dran sind die früheren Job-Hopper: die Millenials. Auch sie ziehen Sicherheit der Selbstverwirklichung derzeit vor. Außerdem finden sich in einigen Quellen Hinweise, dass Männer eher zum Job Hugging tendieren. Korn Ferry-Beraterin Stacy DeCesaro verweist auf „zögerliche“ Top-Performer. Letzteres ist definitiv kein Schaden für ein Unternehmen, doch auch vice versa kann Job Hugging auf Dauer zum Stolperstein werden. Denn: Auch Unternehmen „klammern.. die Zeit der „Great Resignation“ in den Jahren 2021 und 2022 war das beste Beispiel. Viele Unternehmen wollten nicht wieder in eine Situation geraten, in der ihnen Arbeitskräfte fehlen und hielten auf Biegen und Brechen an Mitarbeitenden fest. Wohin sich diese Spirale dreht, dürfte klar sein.
Was hilft gegen Job Hugging? Was können Arbeitgeber jetzt tun?
Kein ordentlicher Blogartikel ohne ein paar solide Ideen zum Bessermachen. Wir haben ja einen Ruf zu verteidigen. Apropos: Wir haben bereits über Health abseits von Obstkorb und Co, der stillen Reserve und Diversity-Recruiting geschrieben. Aber das wissen Sie ja bereits, Sie abonnieren ja den Jobheld-Newsletter. Hier lang, falls nicht! Back to business und ein paar Ideen, wie Sie den Griff Ihrer Klammeräffchen lockern:
- Kommunizieren Sie offen und transparent. Das baut Ängste ab und stärkt das Vertrauen.
- Investieren Sie in Angebote für Weiterbildung und Entwicklung. Der Blick in die Zukunft stärkt die Zuversicht.
- Leben Sie eine wertschätzende Feedbackkultur, binden Sie Ihr Team aktiv in Entscheidungen mit ein und geizen Sie nie mit Anerkennung für Leistungen.
- Nutzen Sie clevere Engagement-Metriken. Wer über die bloße Fluktuationsrate hinausguckt, zeichnet ein klareres Bild der echten Stimmung im Unternehmen.
Bleibt das jetzt? Das prophezeien die Profis.
Job Hugging bleibt ein bisschen. Aber es geht wieder weg. Wollen wir den Job Hugging-Gurus von Korn Ferry Glauben schenken, haben wir es hier mit einem temporären Phänomen zu tun. Sobald sich der Arbeitsmarkt verbessert, wird eine „Explosion" an Jobwechseln erwartet, da viele unzufriedene "Job Hugger" auf bessere Gelegenheiten warten. Langfristig soll auch in Hinsicht der transformativen Kraft von KI und New Work ein neues Gleichgewicht entstehen.
Schlussakkord & Sharing
Wir schließen für heute mit einem Ohrwurm und Cat Stevens (ja, der heißt inzwischen anders) und seiner legendären Scheibe aus 1971: „Oh Baby, it's a wild world“.
Sie kennen das ja: Sharing is caring. Diesen Artikel, nicht den Ohrwurm!