Jeder hat schon von der „Stillen Reserve“ auf dem Arbeitsmarkt gehört. Damit sind Personen gemeint, die nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen (und auch nicht aktiv nach Arbeit suchen), aber prinzipiell bereit wären zu arbeiten.

In diesem Artikel erläutern wir, um wen es sich bei der Stillen Reserve handelt, welche Potenziale die Stille Reserve mit sich bringt und welchen Herausforderungen (aber auch Chancen) sich Arbeitgeber:innen bei der Einstellung von Personen aus der Stillen Reserve gegenübersehen.

1. Wer gehört zur Stillen Reserve?

Die Gründe, warum Personen aus der Stillen Reserve nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen, sind vielfältig.

Zum einen handelt es sich um Personen, die grundsätzlich erwerbswillig sind, aber kurzfristig nicht zur Verfügung stehen, zum anderen aber auch um Personen, die gerne (mehr) arbeiten würden, aber nicht aktiv danach suchen.

Zur Stillen Reserve zählen beispielsweise Personen mit Betreuungspflichten (für Kinder, pflegebedürftige Eltern etc.), Pensionist:innen, Personen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Krankheit oder hoher Arbeitsbelastung aufgeben mussten, Student:innen, die unter geeigneten Bedingungen eine Teilzeitbeschäftigung annehmen würden, und viele weitere mehr.

Auch Personen, die gezwungenermaßen in Teilzeit arbeiten, aber unter geeigneten Bedingungen bereit wären, mehr Stunden als bisher zu arbeiten, gehören zur Stillen Reserve. Umgekehrt ist es möglich, dass jemand nicht in der Lage ist, eine Vollzeitstelle anzunehmen, aber bereit wäre, in Teilzeit zu arbeiten.

Beispiel

Für einen Kunden haben wir eine Stelle ausgeschrieben, die Teilzeitmöglichkeiten bot und Benefits wie flexible Arbeitszeiten und Zuschüsse bei der Kinderbetreuung. Wir haben uns daher entschieden, einen besonderen Schwerpunkt auf das Recruiting von Müttern zu legen, um diese wichtige Zielgruppe mit dieser für sie geeigneten Stelle anzusprechen.

Gleichzeitig gibt es Menschen, die entmutigt sind, wenn es um ihre berufliche Zukunft geht. Sie haben das Gefühl, der Arbeitsmarkt biete ihnen keine Beschäftigungsmöglichkeiten oder sei nicht daran interessiert, sie zu integrieren.

Dies kann z. B. bei einer Person der Fall sein, die offiziell in Pension ist, aber eigentlich noch Lust hätte und grundsätzlich auch in der Lage wäre, stundenweise zu arbeiten. Da solche Personen aufgrund schlechter Erfahrungen oder negativer Erwartungen nicht aktiv nach Arbeit suchen, zählen auch sie zur Stillen Reserve.

Sie sehen: Die Gründe, warum jemand Teil der Stillen Reserve ist, sind komplex.

Um zu verdeutlichen, wie vielfältig die Stille Reserve ist, möchten wir Ihnen zur besseren Veranschaulichung einige fiktive Personen vorstellen:

Jürgen, 63 Jahre, wurde kurz vor seiner Pensionierung entlassen:
Aufgrund von Umstrukturierungen im Unternehmen hat Jürgen kurz vor seiner Pensionierung seinen Arbeitsplatz verloren. Aufgrund seines Alters stößt er auf dem Arbeitsmarkt auf Vorurteile und hat deshalb die aktive Stellensuche aufgegeben.


Emma, 28 Jahre, die Freiberuflerin mit zu wenigen Aufträgen:
Emma arbeitet als freiberufliche Grafikdesignerin, findet aber nicht genügend Aufträge, um voll ausgelastet zu sein. Sie wäre offen für eine Festanstellung, hat aber noch nicht aktiv danach gesucht, da sie hofft, dass sich ihre Auftragslage verbessern wird.


Luca, 25 Jahre, möchte sich weiterbilden:
Nach dem Abschluss seines Studiums beschließt Luca, einen zusätzlichen Online-Kurs zu belegen, um seine Jobchancen zu verbessern. Daher sucht er derzeit nicht aktiv nach einer Arbeitsstelle, um sich auf seine Weiterbildung zu konzentrieren, obwohl er arbeiten könnte.


Elisabeth, 42 Jahre, ist in einer Teilzeitbeschäftigung gefangen:
Elisabeth arbeitet derzeit in Teilzeit als Buchhalterin. Sie würde gerne mehr Stunden arbeiten, was in ihrer derzeitigen Firma aber nicht möglich ist. Da sie trotz vieler Bemühungen keine passende Stelle gefunden hat, hat sie die aktive Suche nach einer Vollzeitstelle aufgegeben.


Marco, 37 Jahre, möchte nicht mehr in ein belastendes Arbeitsumfeld zurückkehren:
Nach Jahren in einem sehr stressigen IT-Job hat Marco beschlossen, seiner Gesundheit zuliebe eine Auszeit zu nehmen. Er ist offen für eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt, aber nur unter der Bedingung, dass er eine weniger belastende Arbeit findet. Derzeit sucht er jedoch nicht aktiv nach einer neuen Stelle.


Sylvia, 55 Jahre, pflegt ihre kranke Mutter:
Sylvia hat ihre Stelle als Verkaufsleiterin reduziert, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Obwohl sie sich eine Teilzeitbeschäftigung finanziell leisten kann, würde sie gerne wieder mehr arbeiten. Mit den zusätzlichen Betreuungspflichten ist das aber nicht so einfach.


Oliver, 30 Jahre, möchte sich beruflich neu orientieren:
Oliver hat seinen Job im Marketing aufgegeben, um eine Ausbildung zum Erzieher zu beginnen. Während der Ausbildung sucht er keine Arbeit, obwohl er grundsätzlich arbeitswillig ist. Er möchte langfristig in einem Berufsfeld Fuß fassen, das ihm mehr Erfüllung bietet.


Barbara, 34 Jahre, möchte nach der Kinderpause wieder ins Berufsleben einsteigen:
Nach einer mehrjährigen Pause, um sich um ihre Kinder zu kümmern, ist Barbara nun bereit, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Sie hat noch nicht aktiv mit der Arbeitssuche begonnen, da sie zuerst noch einen geeigneten Betreuungsplatz für ihre Kinder benötigt.


Helmut, 67 Jahre, der pensionierte, aber motivierte Handwerker:
Helmut hat sein ganzes Leben als Tischler gearbeitet und ist jetzt im Ruhestand. Ihm fehlt die Arbeit und er würde gerne weiterhin in Teilzeit handwerklich tätig sein. Er hat jedoch Schwierigkeiten, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, der seine Erfahrung anerkennt und gleichzeitig flexible Arbeitszeiten bietet, damit er genügend Zeit für seine Familie und seine Hobbys hat.


Sofia, 23 Jahre, die Studentin sucht einen Job mit Flexibilität:
Sofia studiert und braucht dringend ein Einkommen, das sich mit ihrem vollen Stundenplan vereinbaren lässt. Sie sucht nach kurzfristigen Einsätzen oder projektbezogenen Jobs, die ihr genügend Flexibilität für ihr Studium lassen. Leider ist es schwierig, flexible Jobs zu finden, bei denen auch das Gehalt stimmt.

2. Potenziale der Stillen Reserve

Bei der Stillen Reserve handelt es sich um eine beträchtliche Anzahl potenzieller Arbeitskräfte, die Unternehmen nicht einfach vergessen oder ignorieren sollten.

Studien zeigen, dass rund 60 Prozent der Personen in der Stillen Reserve über ein mittleres oder hohes Qualifikationsniveau verfügen, d. h. mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hochschulreife haben. Diese Personen verfügen also über Kompetenzen, die sie durchaus auf dem Arbeitsmarkt einsetzen könnten.

Gerade ältere Arbeitnehmer:innen und Pensionist:innen stellen eine Schlüsselgruppe dar – nicht nur deshalb, weil es sich dabei um die zurzeit am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe handelt. Sie verfügen über einen nicht zu unterschätzenden Wissens- und Erfahrungsschatz und können vielfältige Kompetenzen in Unternehmen einbringen.

Auch Frauen mit Betreuungspflichten machen einen großen Teil der Stillen Reserve aus. Da nach wie vor überwiegend Frauen die Care-Arbeit für Kinder und Angehörige übernehmen, ist es für sie oft schwieriger, so zu arbeiten wie sie es eigentlich möchten.

Leider sind gerade Mütter immer noch vielen Vorurteilen ausgesetzt. Tatsächlich ist es aber so, dass sie durch ihre Mutterschaft über zusätzliche Qualifikationen verfügen, die sie auch im Berufsleben erfolgreich einsetzen können, wie z. B. Effizienz, Organisationsfähigkeit, Belastbarkeit, Empathie und Gelassenheit.

Fakt ist: Wenn es mehr Unternehmen gelingt, die Stille Reserve zu aktivieren, können damit Engpässe in verschiedenen Branchen überwunden werden.

3. Herausforderungen (und Chancen!) für Arbeitgeber:innen

Es liegt auf der Hand, dass Personen aus der Stillen Reserve vor besonderen Herausforderungen stehen, die wiederum die Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen:

➡️ Menschen aus der Stillen Reserve haben vielleicht vor 15 Jahren ihre letzte Bewerbung geschrieben und wissen nicht, wie ein moderner Bewerbungsprozess abläuft.

➡️ Möglicherweise fehlt es ihnen an aktuellem Wissen in ihrem Fachgebiet oder sie haben Schwierigkeiten, die Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes zu verstehen, insbesondere die digitalen Kompetenzen, die heute oft erforderlich sind.

➡️ Vielleicht mangelt es ihnen auch an Selbstvertrauen, da sie keine aktuelle Berufserfahrung haben und sie es sich daher nicht zutrauen, sich auf bestimmte Stellen zu bewerben.

➡️ Nicht zu unterschätzen ist auch die Angst vor Diskriminierung aufgrund ihres Alters oder ihrer langen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt, die für manche Menschen ein klares Hindernis darstellen kann.

Unternehmen können Menschen aus der Stillen Reserve bei all diesen Dingen unterstützen. Hier sind einige Impulse, wie Unternehmen diesen Menschen die (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern können:

Flexible Arbeitszeitmodelle 👨‍💻

Viele Menschen aus der Stillen Reserve nehmen nicht am Arbeitsmarkt teil, weil sie Betreuungspflichten haben, die sich nicht mit starren Arbeitszeiten vereinbaren lassen. Wer hier flexibel agiert, kann als Arbeitgeber:in für diese Menschen attraktiv sein.


Kinderbetreuung 👧🧒👦

In Verbindung mit dem vorherigen Punkt kann es für einige Personen entscheidend sein, ob ein Unternehmen Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder andere Unterstützung bei der Kinderbetreuung anbietet.

Entsprechende Betreuungsmöglichkeiten können für einige Personen nicht nur den vollständigen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, sondern auch für andere Personen eine Aufstockung der Arbeitszeit, z. B. von Teilzeit auf Vollzeit, möglich machen.


Homeoffice 🏡

Natürlich ist Homeoffice nicht in allen Berufen möglich. Aber wenn es möglich ist, kann es für Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht täglich zum Arbeitsplatz pendeln können, eine Hürde weniger sein, um (wieder) ins Berufsleben einzusteigen.


Weiterbildung 📚

Gerade für Menschen, die längere Zeit nicht aktiv am Arbeitsmarkt teilgenommen haben, ist es besonders wertvoll, wenn Unternehmen ihnen die Möglichkeit bieten, ihr Fachwissen auf den neuesten Stand zu bringen und sie so optimal beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützen.


Mentoring-Programme 👥

Erfahrene Mitarbeiter:innen können Berufsrückkehrer:innen unterstützen, ihnen einerseits fachlich zur Seite stehen, andererseits aber auch dafür sorgen, dass sie schnell wieder das nötige Selbstvertrauen gewinnen, um ihren Beruf erfolgreich ausüben zu können.


Anpassung der Recruiting-Strategie ♟️

Unternehmen sollten sich atypischen Lebensläufen nicht von vornherein verschließen, sondern auch diesen Menschen eine Chance geben. Im persönlichen Gespräch lässt sich die Lernbereitschaft und Motivation einer Person sehr schnell erkennen – viel besser als auf dem Papier oder am Bildschirm.

Fest steht: Die Stille Reserve ist angesichts des Fachkräftemangels eine massiv unterschätzte Gruppe mit großer Bedeutung für Unternehmen. Leider wird sie noch viel zu oft unterschätzt und übersehen. Damit wollen wir Schluss machen! 🙅

Wenn Sie also händeringend nach Mitarbeiter:innen suchen, denken Sie doch in Zukunft auch an diese Gruppe und wie Sie Ihre Recruiting-Strategie anpassen können, um sie zu erreichen.

 

Selbstverständlich unterstützen wir Sie auch gerne bei Ihrem Recruiting. Vereinbaren Sie noch heute einen Termin für ein kostenloses und unverbindliches Erstgespräch und wir schauen gemeinsam auf Ihre individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse.